Hasen vergolden
von thalasso wave, aus Spätgebärende Väter

Kaum hat man die christlich-kapitalistische Kommerzoffensive zu Weihnachten hinter sich gelassen, droht neues Ungemach: Was schenken Sie denn zu Ostern? Diese ständig präsente Frage aus der unvermeidlichen Produktwerbung schleicht sich in unser Unterbewusstsein und appelliert an unseren sinnlosen Großmut.

Die Meisten merken gerade noch rechtzeitig, dass sie hier nur in eine weitere Konsumfalle geraten sind und verlagern den Einkauf vom Fachhandel in die Supermärkte. In der trügerischen Hoffnung dort billiger wegzukommen, werden österlich motivierte Süßwaren geordert. Ein Trugschluss. Nie war Schokolade teurer.

Vor den Kassen und auf den Sonderverkaufsflächen lauern die Displays verschiedener Hersteller und buhlen um Kundschaft. Displays nennt man die wegelagernden Pappregale für Saisonware. In diesem Fall Zusammenrottungen von Schokoladenhasen und aller Arten von Eiern.

Allen voran der gemeine Goldrammler mit dem Glöckchen am Halsband. Dergleichen findet man sonst nur bei Hauskatzen und Kühen auf der Alm vor. Da der unbedarfte Kunde aber nun schon seit Jahrzehnten mit dem goldig beglockten Karnickel konfrontiert wird, nimmt er dies inzwischen als naturgegeben und Alleinstellungsmerkmal hin.

Obwohl es sich um die beste Schokolade schlechthin handeln soll, gibt es vermutlich keinen einzigen deutschsprachigen Supermarkt, wo er nicht sein Unwesen treibt und auf leichtgläubige Kundschaft lauert. Von Exklusivität also keine Spur, wenn man vom Preis absieht. So ein kleiner goldiger Hase samt Glocke kostet gerade mal doppelt soviel wie fair-gehandelte Bioschokolade, die ganz nebenbei bemerkt auch noch besser schmeckt.

Kauft man gleich zwei von diesen winzigen Nagern in einer Pappverpackung wird es mitnichten preiswerter. Die Verpackung wird anscheinend in Gold aufgewogen. Nur für den Pappendeckel darf man noch mal Einsfünfzig drauf legen und zahlt dann einen Kilopreis von fast 50 Euro. Selbst Filets von wegen Überfischung aussterbender Fischarten sind preiswerter.

Auch bei der lila Konkurrenz lohnt sich der Blick auf den Preis. Kauft man eine Großpackung bestehend aus Hasen verschiedener Größen und einigen Schokoladeneiern, muss man deutlich mehr hinlegen, als hätte man Hasen und Eier einzeln erworben. Das ist so eine Art gefühlter Mengenrabatt.

Es geht aber noch schlimmer. Vier Wochen vor Ostern suchte ich einen lokalen Zuckerfachhändler auf, um Marzipanobst zwecks Verzierung einer Geburtstagstorte zu erwerben. Gleich im Eingangsbereich waren schon zahlreiche österliche Diäthilfen zur gefälligen Anteilnahme aufgebahrt. Da kamen mir die wohlfeilen Marzipanrübli gerade recht, zumindest bis ich den Preis sah: 4 Euro 50 für gerade mal 45 Gramm. 100 Euro fürs Kilo, das nenne ich saisonal motivierten Geschäftssinn. Das Marzipanobst, das ich ursprünglich im Sinn hatte, fand ich weiter hinten im Laden, für ein Drittel dieses Preises. Hatte wahrscheinlich gerade keine Saison.

Ich kaufe saisonbedingte Süßwaren nur noch im Bioladen. Ist nicht nur umweltfreundlich, sondern auch preiswerter. Und vor Ostern kauf ich nur noch normale Schokolade, Hasen nach Ostern zum halben Preis.

Damit ist das Problem aber noch nicht gelöst. Preiserhöhungen durch gefühlte oder eingeredete Verknappung stehen der Überflussgesellschaft schlecht zu Gesicht. Abzocke ist immer noch kein brauchbares Verfahren, das Vertrauen eines Kunden zu gewinnen. Es gibt noch andere Beispiele, außer dem Benzinpreis. Zum Beispiel Brotdosen. Eine einfache Dose zur Aufbewahrung und Transport eines Butterbrotes kostet gerne schon mal 4 bis 5 Euro. Ist auch noch ein wieder erkennbarer Werbeträger aus einem aktuell grassierenden Kinofilm aufgedruckt, kann man noch einen Euro mehr hinlegen. Der Handel weiß, was Kinder lieben. Könnte man Toilettenpapier dreidimensional bedrucken, wäre Avatar schon überall drauf.

Unlängst vagabundierte ich durch den Drogeriemarkt meines Vertrauens und entdeckte Brotdosen für 1,45 Euro. Alles klar, dachte ich, Chinas Plaste und Elaste lassen grüßen, Schadstoffe inklusive. Einmal kurz der Dose auf den Boden geschaut: Überraschung! Von wegen Made in China - Swiss Made! Jetzt ist die Alpenrepublik jetzt nicht gerade als Billiglohnland oder als ultimativer Hort des Preisdumpings bekannt. Wie machen die das?

Rechnet man jetzt die Gewinnspannen, Lager- und Transportkosten ab, kommt man auf einen Herstellungspreis von maximal 70 Cent. Soviel kostet es eine Bank auch, wenn man Geld bei einem Automaten eines anderen Instituts abhebt. Berechnet werden dem Kunden aber bis zu 10 Euro. Da ist die überteuerte Brotdose doch geradewegs geschenkt! Die Banken haben aber inzwischen Besserung gelobt und wollen nur noch 5 Euro pro fremdgehender Geldauszahlung berechnen. Da sollten sich die Brotdosenhersteller mal ein Beispiel daran nehmen!

Ein Regal weiter im Drogeriemarkt meines Vertrauens findet sich jedoch ein Produkt, das einer Brotdose verblüffend ähnlich sieht. Eine Kunststoffbox mit Deckel aus exakt dem gleichen Material wie die Brotdosen. Und der Preis: samt Inhalt kostet diese Dose auch nur 1,45 Euro! Allerdings eignen sich diese preiswerten Dosen nur bedingt zum Aufbewahren von Lebensmitteln. Durch den Schlitz im Deckel dieser Box für feuchtes Toilettenpapier passt nun mal kein Butterbrot!

Dem hilflosen Konsumenten kommt jedoch nun das Internet hilfreich entgegen. Immer mehr Produkte sparen sich den teuren Umweg über Groß-, Zwischen- und Einzelhändler und werden dem Kunden direkt angeboten. Entsprechend preiswert und ohne Service. Wenn ich an die letzten Beratungen in Fachgeschäften zurückdenke, finde ich, dass man sich den Verlust des Service schon was kosten lassen muss.

Für den Verbraucher ist das sicherlich eine gute Sache. Ein Leben ohne Handygeschäfte, Boutiquen, Autohändler, Versicherungsvertreter oder unglaublich preiswerte Baumärkte kann ich mir durchaus vorstellen. In einem Fall wird mir der Einzelhandel aber fehlen: einen guten Buchhändler kann das Internet einfach nicht ersetzen!

Womit die Eingangsfrage auch beantwortet wäre. Ein Buch kann man immer verschenken, auch zu Ostern!

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